#MiSA BLOG

#MiSA Report: Cybercrime – eine neue Herausforderung für die Opferberatung

Cyber­kri­mi­na­lität: Opfer­be­ra­tungen sind auch Anlauf­stellen für Betrof­fene von Cybermob­bing, Cyberstal­king oder Sextor­tion. Die Master-Studie­renden Jean­nine Graf und Tobias Frank haben einen Bera­tungs­lei­t­faden zum Thema erar­beitet

  • #MiSA Report: Cybercrime – eine neue Herausforderung für die Opferberatung

«Im Bera­tungs­alltag ist es teil­weise schwierig, zeit­liche Ressourcen für die Erar­bei­tung neuer Frage­stel­lungen zu finden. Auch deshalb war das Projekt zum Thema Cyber­crime für die Bera­tungs­stelle eine will­kom­mene Gele­gen­heit, fach­lich voran­zu­kommen. So konnten nun erste Inhalte im Themen­ge­biet erar­beitet werden, welche die Grund­lage für weitere Schritte in diesem sich rasch ändernden Feld bieten.» Reto Wiher, Leiter Opfer­be­ra­tungs­stelle Luzern

Mit den Folgen von Cyber­kri­mi­nalität, also von Straf­taten im digi­talen Raum, haben zuneh­mend auch die Opfer­be­ra­tungs­stellen zu tun. Die beiden Master-Studie­renden Jean­nine Graf und Tobias Frank haben im Rahmen des Projek­tate­liers einen Bera­tungs­lei­t­faden zum Thema Cyber­crime für die Opfer­be­ra­tungs­stelle Luzern erar­beitet.

Von Cyber­crime haben wir alle schon einmal gehört. Viele von uns denken dabei wohl an Hacker, die Tag und Nacht vor ihren Bild­schirmen sitzen und emsig in die Tasten hauen. In den Medien hören wir von Unter­nehmen und Gemeinden, welche ihre IT-Infra­struktur aufgrund eines Angriffs nicht mehr nutzen können und um Geld erpresst werden, damit sie ihre Hand­lungsfähigkeit zurücker­langen.

Cyber­crime: Wo braucht es die Soziale Arbeit?

Aber es gibt im digi­talen Raum nicht nur Cyber-Wirt­schafts­kri­mi­nalität, sondern auch Cyber-Sexual­de­likte wie Sextor­tion, also Erpres­sung mittels Nackt­auf­nahmen des Opfers, oder Cyber-Rufschädigung wie Cybermob­bing, bei dem die Opfer durch die Verbrei­tung von diffa­mie­renden Filmen, Bildern oder Texten bloss­ge­stellt und verleumdet werden.

Doch sind Betrof­fene eines Cyber­de­likts überhaupt «Opfer» nach dem OHG? Und was wäre der Inhalt einer profes­sio­nellen Bera­tung? Mit diesen Fragen im Kopf besuchte Master-Student Tobias Frank das Modul «Projek­tate­lier».

In diesem Pflicht­modul bekommen die Master-Studie­renden in Sozialer Arbeit die Gele­gen­heit, ihr bishe­riges, auf Inhalte und Methoden bezo­genes Wissen in einem master­ge­rechten Praxis­kon­text anzu­wenden. Das Modul umfasst einen struk­tu­rierten Projekt­be­ar­bei­tungs­pro­zess in Zusam­men­ar­beit mit einer Praxis­or­ga­ni­sa­tion und wird im Tandem mit einem/einer Mitstu­die­renden erar­beitet. Tobias Frank konnte seine Kommi­li­tonin Jean­nine Graf für das Thema gewinnen. Zu zweit erar­bei­teten sie im Herbst­se­mester 2021 einen Cyber­crime-Bera­tungs­lei­t­faden für die Opfer­be­ra­tungs­stelle Luzern.

Cyber­crime hat viele Gesichter …

Die erste Frage, die sich den beiden stellte, war, was überhaupt unter dem Begriff Cyber­crime verstanden wird. Bei der Recherche stiess das Projekt­tandem bald auf das Bundesamt für Statistik (BFS), welches seit 2020 Straf­taten im digi­talen Raum als solche in der poli­zei­li­chen Krimi­nal­sta­tistik erhebt. Das BFS schreibt: «Die digi­tale Krimi­nalität (auch Cyber­kri­mi­nalität genannt) umfasst sämtliche Straf­taten, die im digi­talen Raum, d.h. in den Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­netzen und insbe­son­dere im Internet, begangen werden.» Weiter unter­teilt es die Cyber­kri­mi­nalität nach dem unter­schied­li­chen Tatvor­gehen. Zurzeit werden 33 verschie­dene Arten beschrieben. Frank und Graf entschieden sich dazu, ihren geplanten Leit­faden an dieser Klas­si­fi­ka­tion auszu­richten.

… doch welche sind für das Opfer­hil­fe­ge­setz rele­vant?

Die zweite Frage war dann, welche von den 33 Tatvor­gehen gemäss Opfer­hil­fe­ge­setz überhaupt rele­vant sind. Der Opfer­be­griff nach dem OHG ist recht­lich klar defi­niert und nicht alle Betrof­fenen von Cyber­de­likten sind auto­ma­tisch Anspruchs­be­rech­tigte. Aus diesem Grund fällt gerade der grösste Bereich, jener der Cyber-Wirt­schafts­kri­mi­nalität, mehr­heit­lich weg.

Frank und Graf recher­chierten die OHG-rele­vanten Inhalte, ordneten sie sche­ma­tisch und stellten sie in einem Leit­faden dar. Dabei stellten sie fest, dass es wenig wissen­schaft­liche Lite­ratur zum Thema gibt. So stützten sich die beiden Studie­renden auf Hinweise und Unter­lagen von eben­falls im Bereich tätigen Orga­ni­sa­tionen, z.B. der Schwei­ze­ri­schen Krimi­nalprävention. Mithilfe von Exper­ten­in­ter­views versuchten sie die Forschungslücke zu schliessen – und entwi­ckelten dabei Schritt für Schritt einen Cyber­crime-Bera­tungs­lei­t­faden.

Ein Nach­schla­ge­werk für die Praxis

Eine Haup­ter­kenntnis der Arbeit war, dass sich die Bera­tung im Themen­be­reich der Cyber­kri­mi­nalität nicht stark von jener von anderen OHG-rele­vanten Straf­taten unter­scheidet. Ein Straf­pro­zess behält seine Abläufe bei, und auch bei Delikten im realen Raum kommt es vor, dass Täterinnen und Täter nicht ermit­telt werden können. «Dennoch war die Ausein­an­der­set­zung mit dem Thema wichtig, um Berührungsängste abzu­bauen», sind Frank und Graf überzeugt. Mit dem Leit­faden liege nun ein Nach­schla­ge­werk für die Opfer­be­ra­tungs­stelle vor, der aber keines­falls bean­spruche, vollständig zu sein. «Wir wünschen uns», sagen Jean­nine Graf und Tobias Frank, «dass der Leit­faden weiterhin ergänzt und ange­passt wird und so seine Aktualität in diesem sich rasant verändernden Themen­be­reich beibe­halten kann.»

 

Text: Eva Schümperli-Keller

 

Trans­for­ma­tion gestalten – Das Master-Studium in Sozialer Arbeit

Die Arbeit ist im Modul "Projek­tate­lier" des Master-Studiums in Sozialer Arbeit entstanden. Der Master in Sozialer Arbeit wird im Koope­ra­ti­ons­ver­bund der Berner Fach­hoch­schule, der Hoch­schule Luzern und der Ostschweizer Fach­hoch­schule ange­boten. Das Master-Studium ermöglicht Fach­per­sonen aus der Sozialen Arbeit eine opti­male Posi­tio­nie­rung für anspruchs­volle Aufgaben in Praxis, Forschung sowie Lehre und eröffnet neue beruf­liche Aussichten. Neben den Basis­mo­dulen bieten die Stand­orte thema­ti­sche Schwer­punkte zur indi­vi­du­ellen Profilschärfung. Mit dem Projek­tate­lier und der Forschungs­werk­statt sowie in der Master-Arbeit können Studie­rende aktu­elle Fragen aus der Praxis bear­beiten und ihr Forschungs­hand­werk erproben und schärfen.

Weitere Infor­ma­tionen gibt es hier.

 

Übersicht Nächster Beitrag

Der Master mit der Kompetenz
von 3 Hochschulen.