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#MiSA Studie: Patientenverfügungen für Menschen mit Behinderung als Instrument zu mehr Selbstbestimmung am Lebensende
Kann ein Mensch mit geistiger und / oder psychischer Beeinträchtigung überhaupt entscheiden, was er im Ernstfall will? Wie gehen Organisationen der Behindertenhilfe mit diesem Thema um? Diesen Fragen ging Master-Absolvent Patrick Roduner in seiner Projektarbeit auf den Grund.
Patrick Roduner schloss sein Masterstudium Soziale Arbeit im Sommer 2022 erfolgreich ab. Im Rahmen des Moduls Projektatelier (PAT) des MiSA-Kooperationsmasters führte er ein Projekt zum Thema "Patientenverfügungen in der stationären Behindertenhilfe in den Kantonen St.Gallen und Appenzell Innerrhoden" durch. Als Projektpartner und Auftraggeber stellte sich INSOS St.Gallen – Appenzell Innerrhoden, der kantonale Branchenverband der Institutionen für Menschen mit Behinderung, zur Verfügung.
"Zu Beginn des Projekts machte ich mich auf die Suche nach einer frei verfügbaren Patientenverfügung in leichter Sprache. Leider blieb diese Suche erfolglos", berichtet Patrick Roduner. Daher setzte er selbst eine auf und veröffentlichte diese bereits online (www.Patientenverfuegung-in-leichter-Sprache.ch). Mehrere Organisationen und Verbände haben Interesse an der Verfügung bekundet und erwägen teilweise, diese an geeigneter Stelle zu publizieren. "Dieses Interesse und die Erfahrungen aus der Projektarbeit zeigen auf, dass das Thema wichtig ist, es jedoch kaum Unterlagen oder Daten zur Thematik gibt", sagt Roduner weiter. Ihm fiel sowohl in der Praxis als auch im Kontakt mit anderen Fachpersonen aus der Behindertenhilfe auf, dass Patientenverfügungen für Menschen mit Behinderung nur sporadisch und teilweise stellvertretend erstellt werden. Dies entspricht weder dem Handlungsprinzip der Selbstbestimmung, noch sind stellvertretend ausgefüllte Patientenverfügungen rechtlich gültig. Aus diesem Grund führte er in Form einer Erhebung eine Art Bestandsaufnahme durch, um herauszufinden, wo und wie Organisationen der Behindertenhilfe unterstützt oder angeregt werden können, ihr Klientel zu befähigen, ihre Patientenverfügungen möglichst selbständig ausfüllen zu können.
Befragt wurden alle Organisationen der Behindertenhilfe mit stationärem und teilstationärem Angebot in den Kantonen St.Gallen und Appenzell Innerrhoden. Insgesamt 17 Institutionen haben an die Online-Befragung vollständig ausgefüllt. "Ich stellte unter anderem Fragen zu den Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit Patientenverfügungen von Menschen mit Behinderung, aber auch zu Wünschen nach Massnahmen und Angeboten", erklärt Patrick Roduner.
Die Projektergebnisse stellte er im November 2021 an einem Weiterbildungstag der INSOS SG-AI, zusammen mit Martin Boltshauser, der als Anwalt die „juristischen Grundlagen“ lieferte, vor. Rund 50 Mitglieder und Nicht-Mitglieder von INSOS haben der Veranstaltung beigewohnt. Aus den Ergebnissen geht deutlich hervor, dass grundsätzlich alle befragten Institutionen einen Bedarf sowie auch den Wunsch nach Weiterbildungen und Unterlagen zur Thematik haben. Zudem hat Patrick Roduner Handlungsempfehlungen ausgearbeitet, die Personen im Bereich der Behindertenhilfe im Umgang mit Patientenverfügungen unterstützen können. Konzepte und Richtlinien können dem Begleitpersonal Sicherheit im Umgang mit der Thematik geben. Auch sollten bestehende Patientenverfügungen regelmässig überprüft und mit dem Helfer:innennetz bei regelmässigen Sitzungen, wie Standortgesprächen, besprochen werden.
Was sind nun konkrete Folgen aus dem Projekt? Regelmässig gelangen Weiterbildungsanfragen zum Thema an Patrick Roduner. Diese erfolgen oftmals von gesetzlichen Vertretungen (Beiständinnen und Beistände) und Angehörigen via seine Website an ihn. Einige Organisationen verwenden die Patientenverfügung in leichter Sprache. Viele der anfragenden Organisationen wenden einen Teil der Empfehlungen an: Sie führen Weiterbildungen durch oder verwenden entsprechende Dokumente in leichter Sprache.