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#MiSA Event: Diplomrede von Diego Pfammatter zum Master-Abschluss im FS20

Am 18. September hielt Diego Pfam­matter die Abschluss­rede an der Diplom­feier der BFH - mit span­nenden Eindrücken aus Studium und Praxis

  • #MiSA Event: Diplomrede von Diego Pfammatter zum Master-Abschluss im FS20

Werte Mitglieder des Kolle­giums der Studiengänge, werte Absol­ven­tinnen und Absol­venten. Wir haben es geschafft. Das Ziel ist erreicht, ein langer Weg liegt hinter uns. Trotz strengsten Corona-Richt­li­nien, den unermüdlich stei­genden Fall­zahlen und inter­na­tio­nalen Reise­war­nungen haben wir nun tatsächlich den Weg in die Event­fa­brik gefunden. Die letzte Hürde zum Diplom war uner­wartet hoch.

Doch nun sind wir da. Verschie­dene Gefühle sind spürbar: Freude, Stolz, Dank­bar­keit – und viel­leicht auch ein wenig Infek­ti­ons­angst. Doch bei einer Diplom­feier wie wir sie heute hier erleben dürfen, sollten in den besten Fällen die posi­tiven Gefühle domi­nieren. Insbe­son­dere die Dank­bar­keit, ein Ziel erreicht zu haben, auf welches lange hinge­ar­beitet wurde. An dieser Stelle ein ganz herz­li­ches Dankeschön an alle Personen aus unserem Umfeld, welche heute leider nicht hier sein können – jedoch einen grossen Beitrag dazu geleistet haben, dass wir eben hier sein dürfen.

Ich möchte mich zunächst bei den Verant­wort­li­chen dafür bedanken, dass mir die Gele­gen­heit geboten wird, an dieser Stelle einige Worte - insbe­son­dere an euch geschätzte Absol­ven­tinnen und Absol­venten - zu richten. Auch wenn die Beweggründe die zur Auswahl von meiner Person geführt haben, nicht ganz so offen­sicht­lich zu sein scheinen. Mir wurde von WhatsApp-Unter­hal­tungen berichtet, die dieses Thema debat­tierten. Diego hält die Abschluss­rede? Wie kommt der zu dieser Ehre? Wahr­schein­lich ist das der Walliser Bonus. Diego weiss diesen halt clever zu nutzen. Da war bestimmt ein Apéro mit im Spiel. Gut möglich, dass einiges davon stimmen mag.

Viel­leicht wurde ich aber auch deshalb ange­fragt, weil mein Weg zur Sozialen Arbeit nicht ganz alltäglich war und auch später sonder­bare Windungen nahm. Gerne möchte ich im Folgenden etwas mehr dazu erzählen.

Meine Mutter arbeitet seit 32 Jahren auf der Verwal­tung unserer Heimat­ge­meinde. Stolze 297 Einwohner zählt das Dorf Zeneggen. In der Touris­mus­broschüre steht geschrieben: Zeneggen liegt auf der Kanzel des Visper­tals. Grosse Worte. Und mein Vater, der arbei­tete bis im vergan­genen Jahr in der Chemie. Beim grössten regio­nalen Arbeit­geber im Ober­wallis. Das mit dem Berufs­wunsch zeich­nete sich in meinem Fall also relativ schnell ab. Ich entschied mich für die Lehre zum Chemie- und Phar­ma­tech­no­logen und erhoffte mir bei Lehr­be­ginn einen ähnli­chen Lebensweg, wie ihn mein Vater erleben durfte. Als 30-Jähriger ein Haus und eine Familie, einen sicheren Arbeit­geber und im Sommer schöne Ferien in einem Chalet. So einfach kann das Leben sein.

Bereits während der Berufs­lehre begannen diese Vorstel­lungen aber ein wenig zu bröckeln. Schnell stellte ich fest, dass ich Menschen eigent­lich lieber mochte als Zahlen und irgend­welche Druck­re­du­zier­ven­tile. Andere zu unterstützen und gemeinsam heraus­for­dernde Situa­tionen zu bespre­chen stand immer mehr im Zentrum meiner Inter­essen. So kam es, dass ich mich für die Berufs­ma­turität ange­meldet habe und schliess­lich bei der BFH einschrieb.

Und da war ich dann also. Im August 2012. Das Studium begann mit einem Inten­siv­kurs zum Thema «Armut». Herr Engler Pascal stand vorne. Und er erklärte uns: Ich kann Ihnen garan­tieren, dass dieses Studium nicht nur Ihren Bildungs­stand verändern wird. Sie werden nach dem Studium, nicht mehr derselbe Mensch sein wie davor. Sein Ton war ernst. Und ich fragte mich: Hat der das ernst gemeint? Will ich das? Und war das gerade eine Warnung? Acht Jahre später muss ich sagen: Engler hatte recht. Und ja, es war eine Warnung. Wer Soziale Arbeit studiert, muss bereit sein, sich als Person weiter­zu­ent­wi­ckeln. Man muss bereit sein, sich mit seiner eigenen Haltung zu beschäftigen, mit den eigenen Überzeu­gungen und dem persönlichen Werte­system. Man muss bereit sein, sich Fragen zu stellen und  zwar immer und immer wieder. Denn das Studium der Sozialen Arbeit führt nicht nur zu einer Erwei­te­rung des Wissens, sondern auch zu einer Erwei­te­rung des eigenen Blick­win­kels. Übrigens selbst dann, wenn man bereits vor dem Studium der Meinung ist, der eigene Blick­winkel könnte kaum breiter sein. Es werden Theo­rien, Hand­lungsansätze und Methoden vermit­telt. Man lernt mit anspruchs­vollen Situa­tionen umzu­gehen, Menschen zu unterstützen und versteht schliess­lich immer besser, weshalb sich Dinge so entwi­ckeln, wie sie es eben gerade tun.

Nach dem Bachelor dann der Master. Aber weshalb? Wenn ich ganz ehrlich bin: Zu Beginn wusste ich das selber nicht so ganz genau. Nach Abschluss des Bachelor-Studiums habe ich fest­ge­stellt, dass mein Wissen­durst noch nicht gestillt war. Ich wollte mehr wissen, mehr verstehen. Noch etwas tiefer blicken. Und: Mein dama­liger Vorge­setzter beim Sozi­al­dienst besass den Master-Abschluss. Ich bewun­derte seine Fach­kom­pe­tenz. Und er machte kein Geheimnis daraus, dass der Master-Studien­gang eben diese Fach­kom­pe­tenz gefördert hat.

Als ich mich dann als Case Manager beworben hatte, wurde ich erneut mit dem Thema Bachelor und Master konfron­tiert. Der Master-Abschluss war auch im Vorstel­lungs­gespräch ein Thema. Glückli­cher­weise hatte ich kurz davor mit dem Studien­gang begonnen. Zum Schluss des Bewer­bungs­gespräches erhielt ich die Gele­gen­heit für Rückfragen. Ich wollte denn auch wissen, weshalb der Master-Abschluss erwünscht sei. Man hielt sich bedeckt und stellte zunächst die Gegen­frage: Was denken denn Sie persönlich, Herr Pfam­matter, welchen Mehr­wert ein Master-Absol­vent für die ausge­schrie­bene Stelle darstellen kann?

Auf diesen Moment war ich natürlich vorbe­reitet. Meine Antwort lautete dann exakt genau so: Sie suchen vermut­lich jemanden, der sein Wissen nach dem Grund­stu­dium vertieft hat und dadurch über nach­weis­liche Fach­kom­pe­tenz verfügt. Jemanden, der Konzepte und Lösungen für komplexe Aufga­ben­stel­lungen erar­beiten kann und sich kompe­tent an der Schnitt­stelle zur Ökonomie bewegt. Der Wort­laut ist mir übrigens bis heute in Erin­ne­rung, da ich mir diesen 1 zu 1 von der Website des Studien­gangs eingeprägt habe.

Mein Gegenüber begann zu lächeln und bestätigte meinen Werbe­block für den Master mit einem leichten Nicken. Und dann wurde erklärt: Ganz konkret war es bei der Stel­len­aus­schrei­bung unser Ziel, das Inter­esse bei Personen zu wecken, die fähig sind, gemeinsam mit uns etwas Neues aufzu­bauen. Eine Fach­stelle, die zukunfts­ori­en­tiert ist und aktu­elles Wissen von Theorie und Praxis berücksich­tigt. Der Master-Studien­gang schien in der Praxis ange­kommen zu sein – selbst im Wallis. So mein Eindruck in diesem Moment.

Man merkt wohl: Sowohl der Bachelor- wie auch der Master-Studien­gang sind aus meiner Sicht quali­tativ hoch­wer­tige Ausbil­dungen. An dieser Stelle aussch­liess­lich eine Lobes­hymne auf die Studiengänge vorzu­tragen, um mich dann mit besten Wünschen zu verab­schieden, das wäre zuge­ge­bener Massen auch nicht ganz in meinem Sinne. Gewiss gab es einige Dinge, die unter uns Studie­renden zu Diskus­sionen und zum Teil auch zu Frage­zei­chen geführt haben. Genau zwei dieser Frage­zei­chen möchte ich gerne noch kurz beleuchten.

Ich möchte mit der Frage beginnen, ob bei der gene­ra­lis­ti­sche Ausrich­tung des Bache­lors die Vorteile überwiegen. Oder anders formu­liert: Wäre eine spezi­fi­schere Ausbil­dung inner­halb des Studiums eine Überle­gung wert?

Kurz zur Begründung. Spätestens beim ersten Prak­ti­kums­ein­satz zeigt sich, was im allseits bekannten Wissens- und Erfah­rungs­ruck­sack steckt. Ich persönlich stellte rasch fest, dass mein Ruck­sack zwar relativ breit gefüllt war, doch leider etwas wenig spezi­fisch. So als hätte ich die Allwetter Klei­dung dabei, die vor Wind, Sonne, Schnee und Regen schützt; das Lawi­nen­suchgerät aber fehlt. Diese Situa­tion kennen Viele. Eine geschätzte Kollegin beschrieb es vor einigen Jahren nochmal etwas anders: Es wirkt, als würden die Studie­renden in einem hoch­wer­tigen Gemischt­wa­ren­laden ausgerüstete werden, um ansch­lies­send in einem spezi­fi­schen Fach­ge­biet zu bestehen. Eine inten­sive Einar­bei­tung und weitere Spezia­li­sie­rungen sind die logi­schen Folgen. Grundsätzlich nichts Nega­tives. Und klar, es gibt zahl­reiche Wahl­pflicht­mo­dule während des Bache­lor­stu­diums, mit denen das eigene Profil geschärft werden kann. Doch wie wäre es – sie entschul­digen die Wort­wahl – den hoch­wer­tigen Gemischt­wa­ren­laden noch etwas stärker in Rich­tung Fach­handel zu entwi­ckeln? Würden allen­falls vermehrte Themen­wo­chen eine gute Lösung bieten, um die Studie­renden noch spezi­fi­scher quali­fi­zieren zu können? Z.B. im Bereich der betrieb­li­chen Sozi­al­ar­beit?

Das zweite Frage­zei­chen stelle ich hinter die Verein­bar­keit zwischen Familie und Studium. Sind wir diesbezüglich genug weit, um Eltern die nötigen Rahmen­be­din­gungen bieten zu können, damit Familie und Ausbil­dung keinen Wider­spruch mehr darstellen? Ich frage mich: Unter­nehmen wir genug damit Mütter und Väter eine Lösung finden, um ein Studium beginnen zu können, bevor die Fami­li­en­pla­nung abge­schlossen ist? Gerne belasse ich diese Thematik unkom­men­tiert.

Nun gut, Diskus­si­ons­be­darf und Verbes­se­rungs­vor­schläge wird es mit Sicher­heit auch zukünftig geben. Nicht nur im Zusam­men­hang mit den Studiengängen der Sozialen Arbeit, sondern ganz allge­mein in den verschie­densten Lebens­be­rei­chen sowie im Arbeit­salltag von uns allen. Glückli­cher­weise sind wir, liebe Absol­ven­tinnen und Absol­venten, nun zerti­fi­ziert über die nötigen Kompe­tenzen zu verfügen, diese heraus­for­dernden Gespräch zu führen, in den Diskurs zu gehen und dadurch Menschen zu unterstützen.

Ich wünsche euch allen, dass ihr in diesem so viel­sei­tigen Arbeits­feld euren Weg findet und das zukünftige Schaffen eure Erwar­tungen erfüllen mag. Ich wünsche euch auch den Mut, eine Kurs­kor­rektur vorzu­nehmen, wenn ihr in eine Situa­tion geratet, die euch lang­fristig nicht das bieten kann, was ihr von ihr erhofft. Und vor allem wünsche ich euch nun einen wunderschönen Abend. Ruht euch heute auf euren Lorbeeren aus und seid stolz auf das, was wir geleistet haben. Den Morgen geht die Reise bereits weiter. Vielen herz­li­chen Dank für eure Aufmerk­sam­keit und einen schönen Abend.

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